Zusammenfassung
Bei der Konstruktion wahrscheinlichkeitstheoretischer Modelle spielt neben dem Begriff der Unabhängigkeit auch das Konzept des Konditionierens eine zentrale Rolle. Dies lässt sich bereits am Beispiel der Urnenmodelle erkennen:
– Beim Ziehen mit Zurücklegen wird die bei der ersten Ziehung gezogene Kugel zurückgelegt und damit die ursprüngliche Zusammensetzung der Urne wiederhergestellt. Daher ist das Ergebnis der zweiten Ziehung unabh ängig vom Ergebnis der ersten Ziehung.
– Beim Ziehen ohne Zurücklegen wird die bei der ersten Ziehung gezogene Kugel nicht zurückgelegt und damit die Anzahl der Kugeln reduziert und die Zusammensetzung der Urne verändert. Daher ist das Ergebnis der zweiten Ziehung abhängig vom Ergebnis der ersten Ziehung. In diesem Fall ist es von Interesse, die bedingten Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten einer roten Kugel bei der zweiten Ziehung unter den Bedingungen, dass bei der ersten Ziehung eine rote Kugel bzw. eine andersfarbige Kugel auftritt, zu bestimmen; es liegt dann nahe, diese bedingten Wahrscheinlichkeiten zusammenfassend durch eine einzige bedingte Wahrscheinlichkeit darzustellen, die über das zufällige Ergebnis der ersten Ziehung vom Zufall abhängt.
Die allgemeine Konstruktion zufälliger bedingter Wahrscheinlichkeiten beruht auf der bedingten Erwartung einer Zufallsvariablen bezüglich einer σ–Algebra; hier ist daran zu erinnern, dass auch die Unabhängigkeit von Zufallsvariablen durch eine Eigenschaft von σ–Algebren definiert ist.
In diesem Kapitel führen wir zunächst die bedingte Erwartung einer positiven Zufallsvariablen ein (Abschnitt 18.1) und definieren die bedingte Erwartung dann, analog zur Konstruktion des Integrals, auch für eine Klasse von Zufallsvariablen, die nicht positiv sein müssen (Abschnitt 18.2). Von besonderem Interesse ist die bedingte Erwartung für quadratisch integrierbare Zufallsvariable (Abschnitt 18.3). Als erste Anwendung bedingter Erwartungen untersuchen wir schließlich die Konvergenz trivialer Martingale (Abschnitt 18.4).
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(2009). Bedingte Erwartung. In: Maß und Wahrscheinlichkeit. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-540-89730-9_19
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